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Emil Scheid    Klassische Reitkunst

Grundsätze der klassischen Reitkunst

Was ist klassische Reitkunst?

Nachfolgend einige Grundsätze für die Arbeit mit dem Pferd. Alle ausführlich zu beschreiben würde den Rahmen dieser Seite sprengen.

 

Reitkunst ist die Kunst der Ausbildung und Gymnastizierung des Pferdes auf der Grundlage und im Einklang mit den wissenschaftlichen und erfahrungsmäßigen Erkenntnissen von der Anatomie, Physiologie und Psychologie des Pferdes mit dem Ziel sowohl die körperlichen Kräfte als auch die mentalen und seelischen Kräfte des Pferdes zu fördern und zu stärken.
 

Ziel ist es, das Pferd so auszubilden, dass es leicht und angenehm

zu reiten ist, entspannt und vertrauensvoll auf die Hilfen des Reiters

eingeht und in jeder Situation gehorsam ist.

Dies gilt sowohl bei der Arbeit in der Reitbahn als auch beim Ausreiten oder wenn Sie Ihr Pferd bei einer Veranstaltung vorstellen möchten.

 

Reitkunst ist die Kunst, das Pferd auf eine naturgemäße und pferdegrechte Weise auszubilden. Reitkunst in diesem Sinne bedeutet: Auf jedes Pferd wird individuell eingegangen nach den Anlagen und Voraussetzungen, die ihm von Natur  aus gegeben sind.

Die körperlichen und die seelischen Kräfte des Pferdes werden durch die Ausbildung gleichermaßen gefördert und gestärkt. Auf diese Weise wird das Pferd befähigt sein Potential voll auszuschöpfen.

Ich gestalte die Arbeit mit dem Pferd so, dass es sich wohl und sicher bei mir fühlt, denn nur so entsteht Vertrauen und Losgelassenheit und nur auf diese Weise ist das Ausbildungsziel zu erreichen.

Die Ausbildung des Pferdes in meinem Sinne ist die beste Aktivierung aller körperlichen und geistigen Kräfte des Pferdes. Sie macht das Pferd gehorsam, ruhig, gelassen, aufmerksam, intelligent, selbstbewusst,
schön, gesund, stark und geschmeidig.

 

Individuelle Ausbildung

Auf jedes Pferd wird individuell eingegangen entsprechend der Anlagen und Voraussetzungen die ihm von Natur aus gegeben sind.

 

Hilfsmittel wie Schlaufzügel, Dreieckszügel, sonstige Hilfszügel oder Ausbinder, Longierhilfen, Body-Former, DIPO Trainer, Gogue Zügel, und alle anderen sonstigen Hilfsmitteln - egal wie sie auch heißen, werden nicht benutzt.

Alle diese Riemen und Hilfsmittel sind ohne jeglichen Nutzen und führen meistens zu einer systematischen Schädigung der Gesundheit der Pferde.

 

Derartige Hilfsmittel zerstören den naturgemäßen Bewegungsablauf und machen eine korrekte Gymnastik und Ausbildung unmöglich.

 

Zu glauben, man könne, durch benutzen von derartigen Hilfsmitteln,

es sich ersparen zu lernen wie man korrekt und sinnvoll

mit dem Pferd arbeitet, ist ein großer, weitverbreiteter Irrtum.

Der bedeutende Reitmeister Guérinière bringt es auf den Punkt wenn er sagt:

„Ich spreche diesen Riemen jeglichen Nutzen ab. Ein Ausbilder, der es nötig hat bei der Ausbildung des Pferdes derartige Hilfsmittel zu benutzen, sollte lieber den Beruf wechseln.“

 

Das Pferd ist der beste Richter für den Reiter

und nicht irgendein Zuschauer. Nichts geschieht durch Zufall. Das Pferd spiegelt den Reiter wider und gibt immer das zurück, was der Reiter bewirkt und ihm gibt. Das Pferd sagt dem Reiter ob die Hilfengebung richtig und angemessen ist. Bei richtiger und angemessener Hilfengebung wird das Pferd zur Gelassenheit und innerer Ruhe finden und lernen die Lektion richtig auszuführen. Bei unangemessener, falscher, grober und harter Hilfengebung und bei Überforderung wird sich das Pferd verspannen, oft sogar zur Widersetzlichkeit gezwungen und die Lektion wird dadurch nicht nur fehlerhaft und sinnlos sondern auch schädlich für die Gesundheit des Pferdes. Wem das Wohl des Pferdes am Herzen  liegt, wird dies bei der Arbeit mit dem Pferd wohl bedenken. Vielen Zuschauern und Reitern sind diese grundsätzlichen Zusammenhänge offensichtlich jedoch nicht bewusst.

Die meisten ahnen nicht, wie facettenreich, vielschichtig und tief die Kommunikation zwischen Reiter und Pferd sein kann.

Das Pferd zeigt dem Reiter ob seine Arbeit ihm gut tut oder ihm Schaden zufügt. Durch die richtige Arbeit und Ausbildung werden die körperlichen und die seelischen Kräfte des Pferdes gleichermaßen gekräftigt. Auf diese Weise wird das Pferd befähigt sein Potential voll auszuschöpfen.

Durch falsche Arbeit jedoch werden unzählige Pferde in ihrer seelischen und körperlichen Gesundheit geschädigt und frühzeitig zu Invaliden gemacht. Überforderung, grobe und falsche Hilfengebung führen zur Verspannung der Pferde und viele Pferde werden dadurch zur Widersetzlichkeit gezwungen, gehen durch, oder entwickeln andere Unarten und gelten dann als schwierig.

Die Schuld wird dann den Pferden zugeschoben, weil die Menschen, die dies verursacht haben offensichtlich nicht in der Lage sind zu spüren, wahrzunehmen und zu erkennen was sie tun und dadurch anrichten.

Endlose Geduld und stetiges Bemühen sein Feingefühl zu schulen und zu verbessern,  sowie ständiges und aufmerksames Studium der Natur des Pferdes sind Eigenschaften, die ein verständiger Reiter/Bereiter mitbringen oder sich aneignen sollte.

Zäumungen

Trense, Kandare und Kappzaum sind die Zäumungen, die benutzt werden um das Pferd Auszubilden und zu Gymnastizieren. Das Pferd muß stets die Möglichkeit haben seinen Unterkiefer gut und locker zu bewegen, dies darf nicht durch irgendwelche Sperrhalfter verhindert werden.

Wer mit Kandare und Trense nicht zurecht kommt und gebisslos reiten möchte, dem empfehle Kappzaum, Sidepull oder Bosal.
Eine Gymnastizierung des Pferdes im Sinne der klassischen Meister ist jedoch bei gebisslosem Reiten nicht möglich.
Für alle Zäumungen gilt gleichermaßen: Die richtige Handhabung mit den Zäumungen ist enscheidend. Unsachgemässer oder falscher Umgang mit den Zäumungen wird schädliche Auswirkungen auf das Pferd haben, egal um welche Zäumung es sich handelt.

Einem Anfänger sollte man keine Kandarenzügel in die Hand geben, und auch vorerst keine Trensenzügel.

Vertrauen und Angst
Vertrauen wird durch Angst, Grobheit, Gewalttätigkeit und Härte und Überforderung ausgelöscht.
Auf ein Pferd, das mit Grobheit, Härte, Gewalttätigkeit  und Angst ausgebildet wird, wird man sich nie wirklich verlassen können.
Es wird immer etwas geben, vor dem es mehr Angst hat als vor seinem Menschen und dann wird es nicht mehr auf seinen Menschen hören.
Ein Pferd jedoch, das durch die Ausbildung zutraulich und anhänglich wird und seinem Menschen voll vertraut, das wird auf seinen Menschen hören auch wenn es sich fürchtet.

Vorbereiten und Gewähren lassen

Ein wichtiger Grundsatz an den sich die wahren Meister
immer gehalten haben, lautet wie folgt:
Eine korrekte Dressur des Pferdes besteht unter anderem aus einer sinnvollen, systematischen Gymnastik des Pferdes von ihren ersten Anfängen bis zu ihrer höchsten Vollendung. Dabei gilt der Grundsatz, sowohl für die Lektionen der niederen Schule als auch für diejenigen der höheren Schule, dass jede Übung so gut und gründlich vorbereitet sein muss, dass sie der Schüler sozusagen schon kann, wenn damit begonnen wird sie zu verlangen. Dieser Grundsatz gilt immer und natürlich umso mehr, je größer die Probleme des Schülers sind. Man verlangt ja auch von keinem Schüler dass er Bruchrechnen soll, wenn er noch nicht einmal das kleine und große Einmaleins gelernt hat, um einmal ein Beispiel aus einem andern Bereich zu nennen.

Von den ersten Anfängen bis zur höchsten Vollendung, wird das Pferd mittels einer wohldurchdachten und sinnvoll aufgebauten Gymnastik auf jede Anforderung und Lektion vorbereitet.
Durch Überforderung, unverständiges und falsches Vorgehen werden die Lektionen nicht nur sinnlos sondern sind schädlich für das Pferd, und nicht selten werden dadurch etliche Pferde zu Widersetzlichkeiten gezwungen.

 

Aus den Lehren der Meister Gueriniere, Steinbrecht, etc. geht klar und eindeutig hervor:
Dem schlechten Reiter die Gerte, dem Wahren, verständigen Reiter genügt das präzise, einfühlsame Zusammenspiel von Hand und Bein und weiteren unterstützenden Körperhilfen.

Diese Regel gilt insbesondere beim erarbeiten von Piaffe und Passage.


Spielerische Arbeit

Die Erfahrung hat gezeigt, dass  ein Schüler den Lernstoff sehr viel leichter und schneller aufnehmen und lernen kann, wenn man ihm diesen auf spielerische Art und Weise vermittelt, als wenn man versucht ihm diesen Lernstoff gewaltsam mit einem Stock oder Stöckchen einzutrichtern oder gar einzuprügeln. Dies ist bei den Pferden ebenso wie bei den Menschen.

 

Wahre Liebe zum Pferd

Wahre Liebe zum Pferd, und ein inniges Verständnis für seine Natur sind Voraussetzungen für eine Ausbildung des Pferdes in meinem Sinne.

Wahre Liebe zum Pferde ist keine duzi-duzi Gefühlsduselei sondern bedeutet:

So mit dem Pferd umzugehen und zu arbeiten, dass seine körperlichen und seelischen Kräfte nicht schwinden, sondern gefördert werden, und die Geduld aufzubringen dies zu lernen.

 

Viele Pausen machen und Loben

Lob ist Balsam für die Seele des Pferdes und lässt es aufblühen.

Lob fördert Losgelassenheit, Vertrauen und die Motivation

und Lebensfreude des Pferdes.

Mit wenig zufrieden sein, oft wiederholen, viele Pausen machen, oft und

ausgiebig loben.
Dieses Vorgehen fördert Arbeitslust, Losgelassenheit und Vertrauen, und ist deshalb unverzichtbar um körperliche und mentale Verspannungen zu vermeiden und ist aus diesem Grunde unerlässlich um das Ausbildungsziel

zu erreichen.

 

Systematische Gymnastizierung

Die Klassische Reitkunst in meinem Sinne beinhaltet als einzige Ausbildungsmethode eine systematische Ausbildung und Gymnastizierung des Pferdes auf eine naturgemäße Weise.

Die natürlichen Anlagen des Pferdes werden gefördert und bis zur Vollendung ausgebildet. Auf jedes Pferd wird individuell eingegangen entsprechend seinen ihm von Natur aus gegebenen Anlagen. Das Pferd wird auf diese Weise befähigt sein Potential voll auszuschöpfen.
Sowohl die körperlichen als auch die seelischen Kräfte des Pferdes werden durch die Ausbildung gleichermaßen gestärkt.
Alle Lektionen die wir das Pferd ausführen lassen sind Mittel um dieses Ziel zu erreichen. Dies gilt in gleicher Weise für die Bodenarbeit als auch für das Reiten.

Die Ausbildung des Pferdes geschieht mittels einer durchdachten, geregelten Gymnastik, die individuell auf das Pferd angepasst wird, und keine Zwangsmethode sein soll.
Das Pferd wird nicht auf einmal in die gewünschte Form hineingepresst, sondern es wird durch eine sinnvoll aufgebaute Gymnastik allmählich dazu befähigt, die richtige Form und Haltung zwanglos anzunehmen.

Zwangsmittel wie Ausbinder, Hilfszügel und Longierhilfen aller Art werden nicht verwendet. Alle diese Hilfsmittel, egal wie sie auch heißen, haben keinen Nutzen, sondern richten Schaden an, da sie den natürlichen Bewegungsablauf stören und unmöglich machen.

Zu glauben diese Hilfsmittel seien ein Ersatz für die korrekte Gymnastizierung des Pferdes ist ein großer, weitverbreiteter Irrtum.

 

Losgelassenheit

Losgelassenheit ist eine unverzichtbare Voraussetzung für  jedes gute Training und eine Ausbildung in meinem Sinne.

Losgelassenheit ist gekennzeichnet durch die Abwesenheit jeglicher Verspannungen, sowohl mentaler als auch körperlicher Art. 
Losgelassenheit bedeutet mental locker zu sein und frei zu sein von muskulären Verspannungen. Ein Pferd, das beständig in meinem Sinne gearbeitet wird ist nach einiger Zeit meist schon zu Beginn der Arbeit losgelassen und dabei noch voller Energie.

Viele verwechseln irrtümlicherweise Losgelassenheit mit Schlappheit und meinen, man müsste das Pferd müde machen, damit es losgelassen ist. 
Viele meinen, das Pferd sei dann losgelassen, wenn es nach der Arbeit verschwitzt und völlig schlapp mit tiefem, langen Hals auf der Vorhand durch die Reitbahn trabt oder geht und dabei mit der Hinterhand auf dem Boden schleift.
Lieber Leser/in, diesen Zustand nennt man "Fix und Fertig“ sein und das hat gar nichts mit Losgelassenheit zu tun. Diese Art der Arbeit hat mit Sicherheit Verspannungen zur Folge und zerstört nicht nur die Losgelassenheit, sondern auch die Arbeitslust und das Vertrauen.

 

 

 

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